Am 16. Juni 2023 weihte Rewilding Oder Delta das neue Rewilding-Zentrum in Glashütte in der Gemeinde Rothenklempenow ein. Dieses mit Spannung erwartete Ereignis ist das Ergebnis einer mehrjährigen polnisch-deutschen Zusammenarbeit, die darauf abzielt, eine starke Bindung zwischen der Natur, den lokalen Gemeinschaften und den Besuchern gleichermaßen zu fördern.
Eine solide Grundlage schaffen
Seit über einem Jahrzehnt arbeiten Ökologen und Experten für nachhaltige Entwicklung bzw. Tourismus gemeinsam daran, den Schutz und die Entwicklung der einzigartigen Landschaft des Oderdeltas – im Herzen Europas – voranzubringen. Im Jahr 2019 wurde der gemeinnützige Verein Rewilding Oder Delta (ROD) als Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen polnischen und deutschen Organisationen sowie einer engen Partnerschaft mit Rewilding Europe gegründet.
Mit einem kleinen Büro in Stolpe an der Peene nahm die Organisation ihre Arbeit auf und begann im Dialog mit Landbesitzern und Interessenvertretern, die Rewilding-Vision in einem größeren grenzüberschreitenden Kontext umzusetzen.
In den ersten drei Jahren lag der Fokus des Vereins vor allem darauf, sich in der Region zu etablieren, ein multidisziplinäres und internationales Team aufzubauen und verschiedene Forschungs- und Pilotprojekte anzuschieben. Im Dezember 2022 fand die Organisation in Glashütte den perfekten Standort inmitten der Ueckermünder Heide, 4 km von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
Ein Zentrum für Rewilding-Aktivitäten
Das neu eröffnete Zentrum befindet sich in der Lindenstraße 24 in Glashütte in der Gemeinde Rothenklempenow. Das zweistöckige Gebäude ist ein Dreh- und Angelpunkt für Rewilding–Aktivitäten. Es bietet Büroräume, die Möglichkeit für kleinere Treffen und einen Raum mit Informationsmaterialien. Im Gebäude befinden sich außerdem Unterkünfte für MitarbeiterInnen und PraktikantInnen sowie eine gemeinsame Küche. Im Außenbereich ist viel Platz für einen wilden Garten sowie Veranstaltungen und Workshops unter freiem Himmel.
„Die Eröffnung des Zentrums ist ein wichtiger Meilenstein“, sagt Ulrich Stöcker, ROD-Teamleiter (Deutschland). „Mit der Ausweitung der Aktivitäten suchten wir nach dem richtigen Ort, um das wachsende Team unterzubringen und gleichzeitig einen ansprechenden Ort für die steigende Zahl von Besuchern zu schaffen. Wir hoffen, dass das Zentrum als Treffpunkt für unsere Nachbarn, Partner und Naturliebhaber dienen wird, die sich für Rewilding begeistern.“
Das Gebäude wurde in den 20er Jahren vom Eigentümer der Glashütte errichtet und diente im Laufe des 20. Jahrhunderts als Wohnhaus für mehrere Familien. Die letzte Eigentümerin hat das Gebäude mit großer Sorgfalt renoviert und instandgehalten. Unser Verein konnte somit ein perfekt vorbereitetes Haus übernehmen und die ehemalige Eigentümerin freut sich, dass das Haus in Zukunft einer nachhaltigen Nutzung zugeführt wird. Dank ihrer Mithilfe konnte das Gebäude mit einer langfristigen Zahlungsoption von zehn Jahren für den Verein erworben werden, wodurch wir uns eine langfristige Perspektive für die Arbeit hier in der Region sichern können.
„Die heutige Veranstaltung hat eine große Symbolkraft“, fügt Peter Torkler, ROD-Teamleiter (Polen), hinzu. „Ohne die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch die Glasindustrie, die in der Vergangenheit den Erfolg der lokalen Wirtschaft begründete, würde es diesen Ort nicht geben. Da sich die Zeiten jedoch geändert haben, erhält das gleiche Gebäude eine völlig neue Bedeutung und dient nun als Basis für die Wiederherstellung und den Schutz der Feuchtgebiete und der Tierwelt in der atemberaubenden Landschaft des Oderdeltas.“
Inspirierende Ideen über Grenzen hinweg
Etwa siebzig Personen besuchten den ganzen Tag über das Rewilding Open Air. Die Einweihung begann mit einer Informationsveranstaltung mit Vertretern und Anwohnern der Region. Die Gäste nahmen zunächst an einem kurzen Rundgang durch die Anlage teil, der von Mitgliedern des ROD-Teams begleitet wurde. Die offizielle Begrüßung erfolgte durch Rainer Schulze, dem Bürgermeister von Rothenklempenow, der die langjährige positive Erfahrung der Gemeinde hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen unterstrich.
Im Anschluss daran gab Jochen Elberskirch, Leiter des Naturparks Am Stettiner Haff, einen Einblick in die Rolle des Naturparks zum Erhalt der Biodiversität in der Region. Er erläuterte die zahlreichen gemeinsamen Ziele beider Einrichtungen, darunter die Förderung eines nachhaltigen und umweltfreundlichen Tourismus sowie Bildung und Förderung des lokalen Umweltbewusstseins.
Die Besonderheiten des Rewildings, aber auch die europaweite Ausstrahlung dieser noch recht jungen Naturschutzbewegung erläuterte Johan Booij, der Finanzdirektor von Rewilding Europe. Er gab einen Überblick über die zehn europäischen Rewilding-Landschaften, stellte die wirtschaftliche Bedeutung des naturbasierten Tourismus Rewilding Europe Travel vor, zeigte auf, wie junge Menschen für die Rewilding–Idee begeistert werden (European Young Rewilders) und erläuterte, welche innovativen Ansätze zur Finanzierung von Naturschutzinitiativen entwickelt werden.
Zum Abschluss des ersten Programmpunktes führten die Leiter des ROD-Teams, Ulrich Stöcker und Peter Torkler, die Zuhörer durch die Geschichte der polnisch-deutschen Zusammenarbeit und die bisherigen Erfolge. Dabei erklärten sie, welche Ziele im Oderdelta verfolgt werden, damit sich Natur und Menschen dieser Landschaft gemeinsam an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen können. Sie unterstrichen außerdem die Bedeutung der Förderung einer natürlichen Dynamik der Ökosysteme für eine Regenerierung der Lebensräume und den Erhalt dieser einzigartigen grenzüberschreitenden Landschaft.
Ein spannender Nachmittag unter freiem Himmel
Die Mittagspause bot Gelegenheit, sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und die ruhige Umgebung des Gartens bei einem Imbiss zu genießen, der von Bio Rollin aus Pasewalk serviert wurde.
Am Nachmittag konnten die Gäste zwischen drei geführten Touren wählen. Die erste Gruppe unternahm einen Spaziergang mit Wiebke Brenner, Artenschutz–Referentin bei ROD und dem Wildnisführer Georg Messerer. Die Teilnehmer suchten nach Tierspuren und lernten die Interaktion zwischen Arten rund um das Naturschutzgebiet Gottesheide kennen. Eine andere Gruppe erkundete die Wasserlandschaft des Haussees in Rothenklempenow mit Nancy Wolf, Gewässer-Referentin und Artur Furdyna, Hydrobiologe und Vorstandsmitglied, beide ROD. Die dritte Gruppe hatte die Möglichkeit, sich mit einer besonderen Art der Koexistenz von Mensch und Tier vertraut zu machen. Bernd Schock von Hodlwood gab eine spannende Einführung in die Welt der Zeidlerei (wilde Honigbienen), während Frank Götz-Schlingmann, Netzwerkkoordinator bei ROD, die Auswirkungen des Zusammenspiels von Biber und Mensch direkt vor der Haustür des ROD-Hauses aufzeigte.
Der ereignisreiche Tag endete mit einem von BioBoden gesponserten Grillabend. Das gemütliche Beisammensein wurde mit einer spannenden Filmeinlage abgerundet, die eine im Frühjahr 2023 in Polen durchgeführte Luchs–Auswilderung dokumentiert. Die Aktion war Teil eines langfristigen Wiederansiedlungsprogramms, das von der Naturgesellschaft Vorpommern (ZTP) mit Unterstützung von ROD und dem European Wildlife Comeback Fund von Rewilding Europe durchgeführt wurde.
Auf dem Weg in eine wildere Zukunft
Alles in allem war die Einweihung des neu eröffneten Rewilding-Zentrums eine erfolgreiche und inspirierende Veranstaltung. Akteure aus den verschiedensten Branchen feierten ein Jahrzehnt grenzüberschreitender Zusammenarbeit und ebneten den Weg für zukünftige Initiativen in unserer Region. Das Team bedankt sich herzlich bei allen, die diesen wundervollen Tag mit uns gestalteten. Lokale Behörden, Anwohner, begeisterte Rewilding–Unterstützer und Partner haben diesen Tag möglich gemacht. Rewilding Oder Delta lädt alle ein, sich gemeinsam für ein wilderes Oderdelta zu engagieren, diese Region zu einem Symbol für mehr Lebensqualität zu machen – für die Menschen und für die Natur.