• Die bisher ergriffenen Maßnahmen sind unzureichend, um Folgen der Oder-Umweltkatastrophe zu begrenzen und Ursache der Kontamination zu finden
• Der mangelnde Zugang zu Informationen auf polnischer Seite behindert Präventions- und Abhilfemaßnahmen
• Prüfung nötig, inwieweit eine Schließung der Mündungsarme des Stettiner Haffs die Ostsee vor Schadstoffwelle aus der Oder schützen kann
• ROD und TPRIiG fordern Aufnahme des Stettiner Haffs und des gesamten Oder-Flusslaufs als prioritäre Räume für die nationalen Wiederherstellungspläne Polens und Deutschlands in Umsetzung des kommenden EU-Rechts zur Wiederherstellung von Ökosystemen
Stolpe an der Peene / Stepnica, 17.08.2022:
Die im Odereinzugsgebiet aktiven Umwelt- und Naturschutzorganisationen Towarzystwo Przyjaciół Rzek Iny i Gowienicy (Gesellschaft der Freunde der Flüsse Ina und Gowienica TPRIiG) und Rewilding Oder Delta e. V. (ROD) beklagen das unzureichende Ausmaß und die zähe Geschwindigkeit der bisher ergriffenen Maßnahmen, um die Folgen der katastrophalen Vergiftung der Oder zu begrenzen, die Ursache der Kontamination eindeutig zu identifizieren und eine drohende Verschleppung in die Ostsee zu verhindern. Die Behörden müssten ihre Kommunikation untereinander auch grenzüberschreitend deutlich verbessern, um Menschen und Fauna zu schützen, und die noch verbleibenden Organismen in der Oder zu retten.
„In jedem Abschnitt des Flusses gab es technische Möglichkeiten, die Folgen dieser Tragödie zu minimieren. Diese Entscheidungen hätten schnell, konsequent und in Zusammenarbeit mit Hydrobiologen, Hydrotechnikern und Hydrochemikern getroffen werden müssen. Selbst jetzt gibt es noch den Hauch einer Chance, das Ökosystem der Ostsee vor der Schadstoffwelle zu retten„, erklärt Hydrobiologe Artur Furdyna, Vorstandsmitglied in beiden Organisationen.
Die Organisationen Rewilding Oder Delta und TPRliG fordern die polnische Regierung und die deutsche Bundesregierung sowie die Landesregierungen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns zu einer wesentlichen Verstärkung ihrer Zusammenarbeit auf.
Die folgenden Korrektur- und Präventivmaßnahmen sollten besonders auf Durchsetzung geprüft werden:
Um die Ostsee vor der Schadstoffwelle aus der Oder zu schützen:
- Prüfung einer sofortigen Sperrung der Schifffahrt zwecks Einrichtung geeigneter Filtersysteme in den drei Mündungsarmen des Stettiner Haffs (Dievenow, Swine und Peenestrom) in enger Abstimmung beider Länder.
Um die Ursache der Kontamination eindeutig zu identifizieren und eine wirksame Sanierung zu ermöglichen:
- Sofortige Einleitung einer grenzübergreifenden Krisenüberwachung entlang des gesamten Flusslaufs und insbesondere des nun auch betroffenen Mündungsgebiets (einschließlich der langfristigen Entnahme und Untersuchung systematischer Wasser- und Sedimentproben anstelle von Einzelproben wie bisher);
- Aufbau eines effektiven polnisch-deutschen Krisenstabs; auf polnischer Seite Einbeziehung bisher nicht vertretener Fachleute (einschließlich Hydrochemiker, Hydrologen, Hydrobiologen, Gewässerökologen, Ornithologen, Umwelttoxikologen und Veterinärmediziner);
- Bereitstellung aller historischen und aktuellen Daten über den Zustand des Oderwassers für Experten und Zivilgesellschaft[1];
- Unverzügliche Einrichtung eines Systems der ständigen und öffentlich zugänglichen Überwachung der grundlegenden Wasser- und Sedimentparameter des Flusses (z. B. Durchfluss, Sauerstoffgehalt, Temperatur, pH-Wert);
- Ausarbeitung einer Strategie zur natürlichen Regeneration der Oder und des Stettiner Haffs durch Renaturierung und Stärkung der ökologischen Widerstandsfähigkeit: Aufnahme des gesamten Flusslaufs und des Stettiner Haffs als prioritäre Räume für die nationalen Wiederherstellungspläne Polens und Deutschlands in Umsetzung des kommenden EU-Rechts zur Wiederherstellung von Ökosystemen;
- Sofortiger Stopp aller die Selbstreinigungsfähigkeit der Oder beeinträchtigenden Maßnahmen, und im Gegenzug auf polnischer wie auf deutscher Seite Umsetzung von Maßnahmen zur Revitalisierung von Auensystemen, die frühzeitig und über große Teile des Flussverlaufes hätten natürliche Filter darstellen können.
Zum Schutz der Anwohner der Oderregion:
- Offene und kontinuierliche Kommunikation über die Medien und die staatlichen Krisenzentren auf Grundlage des Vorsorgeprinzips;
- Schutz der Trinkwasserquellen: Einleitung einer umfassenden Überwachung zur Verhinderung einer weiteren Kontamination der Oder, ihrer Nebenflüsse, Entwässerungsgräben und Brunnen;
- Stärkung der Gesundheitsdienste in den betroffenen Regionen im Hinblick auf toxische Vergiftungen.
„Die Giftwelle ist bereits im Stettiner Haff angekommen, und noch vorgestern badeten dort Menschen. Die Warnungen der polnischen Regierung kommen weiterhin zu spät. Das ist sehr besorgniserregend, zudem wir immer noch nicht wissen, um welche Art von Schadstoffe es sich handelt. Es gibt Stoffe, die für immer im Körper verbleiben und langsam letal wirken. Solange wir nicht wissen, mit welchen Substanzen wir es hier zu tun haben, müssen die Menschen vor jeglichem Kontakt mit dem Wasser gewarnt werden„, fügt Furdyna hinzu.
Kontakt:
Artur Furdyna (auf Englisch)
Gesellschaft der Freunde der Flüsse Ina und GowienicaTPRIiG / Rewilding Oder-Delta e. V.
Tel: +48 531 402 868
Katrin Schikorr
Rewilding Oder-Delta e. V.
Tel: +49 15156727500
E-Mail: katrin.schikorr@rewilding-oder-delta.com
Rewilding Oder Delta e.V. ist eine 2019 gegründete Naturschutzorganisation zur Umsetzung von Rewilding rund um das Stettiner Haff in Deutschland und Polen und eines der neun von Rewilding Europe unterstützten Gebiete. Gemeinsam mit Partnern vor Ort setzen wir grenzüberschreitende Aktivitäten zum Schutz der Natur und zur Unterstützung einer naturnahen Wirtschaft um.
Towarzystwo Przyjaciół Rrzek Ina i Gowienica (Gesellschaft der Freunde der Flüsse Ina und Gowienica TPRIiG) ist ein Zusammenschluss von Anglern und Naturschützern in der polnischen Woiwodschaft Westpommern und deren Einzugsgebieten. Das Hauptziel ist es, die Flüsse Ina und Gowienica in einem naturnahen Zustand zu erhalten.
Beide Organisationen sind jeweils aktiv in weiteren Koalitionen: TPRIiG in der polnischen Koalition zum Schutz der Flüsse Koalicja Ratujmy Rzeki / Save the Rivers Coalition; ROD im Aktionsbündnis zum Schutz der Oder. Hier vernetzten sich deutsche und polnische Umweltorganisationen und fordern seit Jahren eine naturnahe Entwicklung an der Oder und den Stopp von Regulierungsmaßnahmen, die das einzigartige Ökosystem Oder zerstören.
[1] Derzeit müssen in Polen solche Informationen aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes angefordert werden. Oft wartet man mehrere Wochen auf eine Antwort.