Rückkehr der Luchse ins Oderdelta jetzt mit Unterstützung des LIFE-Programms

Juni 11, 2024

2023 war ein erfolgreiches Jahr für die Wiederansiedlung von Luchsen: 17 Individuen wurden im Rahmen einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen der Westpommerschen Naturgesellschaft (ZTP) und Rewilding Oder Delta (ROD) ausgewildert. Ermöglicht wurde das Vorhaben durch den European Wildlife Comeback Fund (EWCF) von Rewilding Europe.  

Mit der Bewilligung eines LIFE-Projekts ist die Fortführung dieser gemeinsamen Bemühungen nun für die nächsten fünf Jahre gesichert. Da Organisationen aus Deutschland, Polen und Litauen beteiligt sind, ist dies nicht nur ein bedeutender Schritt für die Erhaltung und Ausweitung der Luchspopulation in der Region, es stärkt auch das internationale Partnernetzwerk.

Lynx being released in September 2023 in Poland by Wiebke Brenner of Rewilding Oder Delta, in partnership with ERN member ZTP and funded through the European Wildlife Comeback Fund.
Wiebke Brenner bei der Auswilderung des Luchses im Jahr 2023- Internationale Naturschutzbemühungen tragen zur Erholung der Luchspopulation bei
Neil Aldridge / Rewilding Europe

Die Luchsauswilderungen von 2023: Ein Meilenstein für den Naturschutz

Im Frühjahr 2023 setzte ZTP gemeinsam mit ROD drei junge Eurasische Luchse – Francuz, Rocky und Rudi – in der polnischen Wildnis aus. Diese Aktion war eine von 17 Luchsauswilderungen, die vom EWCF finanziert und von ZTP durchgeführt wurden. Durch die Wiedereinführung von Schlüsselarten in ganz Europa sollen langfristig selbstregulierende, widerstandsfähige Ökosysteme etabliert werden. 

Aktueller Status der freigelassenen Luchse

Die im März 2023 freigelassenen Luchse, Francuz, Rocky und Rudi, haben sich erfolgreich an die Wildnis angepasst. Das Weibchen Rudi hat sich im Norden der Woiwodschaft Großpolen niedergelassen und teilt sich das Gebiet mit dem ausgewachsenen Männchen Rudy. „Wir freuen uns sagen zu können, dass es in diesem Jahr eine große Wahrscheinlichkeit auf Jungtiere gibt“, sagt Marcin Grzegorzek, Feldmitarbeiter bei ZTP.

Gleichzeitig durchstreift Rocky die Wälder der nördlichen Woiwodschaft Kujawien-Pommern und demonstriert die Anpassungsfähigkeit der Raubkatzen.

Im Gegensatz dazu sah Francuz sich mit der allgemeinen Herausforderung der Lebensraumfragmentierung konfrontiert, was die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung der Landschaft unterstreicht: Francuz machte eine Reise in den Süden, wurde aber von der Autobahn A2 aufgehalten. Von September 2023 an saß er in einem Gebiet an der A2 in der Nähe von Poznań fest“, erklärt Marcin. 

Junger Luchs nach der Auswilderung in den Wäldern der Woiwodschaft Westpommern
Zachodniopomorskie Towarzystwo Przyrodnicze

Ausdehnung der Luchsbestände und grenzüberschreitende Zusammenarbeit 

Angesichts der wachsenden Luchspopulation soll eine tiefergreifende fünfjährige Zusammenarbeit die anstehenden Erhaltungsmaßnahmen im Rahmen von LIFE22-NAT-PL-LIFE LYNX PL LT DE „Ausweitung des Verbreitungsgebiets der Luchspopulation in Nordpolen“ sicherstellen. ZTP als federführender Partner plant 40 weitere Auswilderungen, um den Genpool zu diversifizieren, Teilpopulationen miteinander zu verbinden und das historische Verbreitungsgebiet der baltischen Luchs-Metapopulation wiederherzustellen. ROD in Nordostdeutschland, der Forstbezirk Spychowo in Nordostpolen und das Ecosystems Protection Centre (EPC) in Südlitauen werden sich mit ihrer Arbeit in den Regionen, in die sich die Luchspopulation wahrscheinlich ausbreiten wird, für die Akzeptanz dieser Wildtierart einsetzen. 

Maciej Tracz, wiceprezes ZTP i Marcin Grzegorzek, pracownik ZTP, podczas wypuszczenia Francuza wiosną 2023 r.
Maciej Tracz, Vizepräsident von ZTP, und Marcin Grzegorzek, Feldmitarbeiter bei ZTP, während der Auswilderung von Francuz im Frühjahr 2023
Sophie Monsarrat / Rewilding Europe

In Deutschland liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Schaffung eines Netzwerks relevanter Stakeholder für das Luchsmanagement und der Einbindung lokaler Gemeinschaften. Diese werden, über den Lebensraum des Luchses, sein Verhalten, seine Ökologie und seine Bedeutung sowie Strategien für ein Zusammenleben mit Wildtieren informiert; Aufklärungsarbeit, die Mensch und Natur zugutekommt. Alle Organisationen werden zudem die Weichen dafür stellen, das Luchsmonitoring in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich eigenständig umzusetzen 

Geländeschulungen und praktische Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen 

Maciej Tracz, wiceprezes ZTP, demonstruje Wiebke Brenner jak przymocować obrożę telemetryczną przed wypuszczeniem. 
Maciej Tracz, Vizepräsident von ZTP, zeigt Wiebke Brenner, Referentin für Artenschutz bei ROD, wie man das GPS-Halsband vor der Freilassung anbringt
Neil Aldridge / Rewilding Europe

Im Herbst 2023 begann die Schulung der ROD-Feldmitarbeiter durch ZTP, um ein deutsches Interventionsteam aufzubauen. Dieses Team wird die Luchspopulation mithilfe von Telemetriedaten überwachen, Luchs-Risse erfassen, um ihre Ernährung zu analysieren, und ZTP bei der Auswilderung von Luchsen in die polnische Wildnis unterstützen. 

Das Training, ein „learning-by-doing“-Prozess, umfasst die Bedienung der Ortungsantennen, das Anbringen von Telemetriehalsbändern und den Umgang mit Blasrohren, die zum Betäuben der Tiere vor em Transport in die Wildnis genutzt werden.Das intensive Training bei ZTP ermöglicht es uns, wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln und bereitet uns perfekt auf unsere eigenen Einsätze in der Zukunft vor“, erklärt Teilnehmerin Wiebke Brenner, Referentin für Artenschutz bei ROD.  

Ökologische Bedeutung des Luchses und trophische Komplexität

Einst vom Aussterben bedroht hat sich der Eurasische Luchs heute wieder auf etwa 9.000 Exemplare in Europa erholt (ausgenommen Weißrussland und Russland, da hier keine Daten vorliegen). Luchse sind durch verschiedene internationale Abkommen geschützt, darunter die Berner Konvention und das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, und sie spielen als Spitzenprädatoren eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts. Sie regulieren ihre Beutepopulationen, die hauptsächlich aus Pflanzenfressern bestehen, auf verschiedene Weise: Zunächst einmal reduzieren sie die Zahl der Tiere durch die Jagd. Indem sie vor allem schwache, kranke und alte Tiere jagen, halten sie die Bestände zudem gesund. Außerdem schaffen Raubtiere eine so genannte „landscape of fear“ für ihre Beutetiere: Um Prädatoren zu vermeiden, bleiben die Beutetiere mobil und grasen dynamisch. Dies verhindert eine Überweidung, ermöglicht eine natürliche Regeneration und trägt so zu gesunden Waldökosystemen bei. 

Mozaika krajobrazu Delty Odry 
Das Landschaftsmosaik des Oderdeltas
Florian Möllers / Rewilding Europe

Ausblick

Das länderübergreifende Engagement für die Wiederherstellung von Luchspopulationen und ihrer ökologischen Funktion ist nicht nur ein bedeutender Schritt für den Naturschutz, sondern verdeutlicht auch das komplexe Geflecht ökologischer Wechselwirkungen, das durch trophisches Rewilding wiederhergestellt werden soll. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Wiederherstellung von Ökosystemen auf Landschaftsebene möglich ist, wenn verschiedene Institutionen, Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen zusammenarbeiten und dieselbe Vision teilen. Deshalb freuen wir uns über die neu entstandenen grenzüberschreitenden Kooperationen, die uns unserem gemeinsamen Ziel näherbringen“, resümiert Peter Torkler, Leiter des ROD-Teams, mit Begeisterung.

Text: Sabine Lydia Müller, Agnieszka Soboń
Übersetzung: Pablo Melotta
Inhaltliche Beratung: Wiebke Brenner

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