Rund 40 Fachleute aus Forschung, Verwaltung und Praxis folgten der Einladung von Rewilding Oder Delta e.V. in Kooperation mit Kiel Marine Science der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), um in einem zweitägigen Workshop konkrete Lösungsansätze zur Wiederansiedlung von Seegraswiesen in der Ostsee zu entwickeln. Neben spannendem Fachinput standen Austausch, Kooperation und gemeinsames Erleben im Zentrum – ein starkes Zeichen für gelebte Renaturierung in Forschung und Praxis.

Seegraswiesen: Schatzkammern der Ostsee
Seegraswiesen gehören zu den wichtigsten und zugleich bedrohtesten marinen Lebensräumen der Ostsee. Sie bieten unzähligen Tierarten Schutz, dienen als Laichgebiete, speichern große Mengen Kohlenstoff, stabilisieren Küstenlinien und verbessern die Wasserqualität. Doch ihr Bestand schrumpft – vor allem durch Nährstoffeinträge und schlechte Umweltbedingungen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist Zusammenarbeit gefragt – zwischen Wissenschaft, Behörden, Flächennutzern und Umweltschutzorganisationen.

Fachworkshop mit Weitblick und Tiefgang
In Kiel kamen auf Einladung von Rewilding Oder Delta e.V. und in Kooperation mit Kiel Marine Science der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) knapp 40 Vertreter*innen aus Forschungseinrichtungen, Verwaltungen, Interessengruppen und weiteren Fachbereichen zusammen. Ziel war es, Wissen zu bündeln und gemeinsam Empfehlungen zu entwickeln, wie Seegraswiesen gezielt wiederhergestellt werden können. Mehrjährige Erfahrungen und Erkenntnisse aus renommierten Forschungsprojekten wie SeaStore eine besonders wichtige Rolle, um miteinander ins Gespräch zu kommen und voneinander zu lernen.
Am ersten Workshoptag standen Impulsvorträge, Diskussionen und Gruppenarbeiten im Fokus. Dabei ging es um aktuelle Forschung, ökologische und sozio-ökonomische Aspekte sowie konkrete Herausforderungen bei der Umsetzung – von Umweltbedingungen über Genehmigungsverfahren bis hin zur Einbindung lokaler Akteure.

Lernen durch Erleben: Exkursion zur „Spenderwiese“
Am zweiten Tag ging es hinaus ans Wasser: Bei einer Exkursion zur Kieler Förde gaben Mitarbeitende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel praktische Einblicke in das Umweltbildungsprojekt „Snorkeling.City“. Die Teilnehmenden konnten schnorchelnd eine Seegraswiese erkunden und selbst Blütensprosse sammeln – ein spannender und verbindender Höhepunkt, der Theorie und Praxis eindrucksvoll zusammenführte.

Gemeinsam für zukunftsfähige Lebensräume
„Die Wiederherstellung von Seegraswiesen ist nicht nur ökologisch wertvoll – sie schafft echte Zukunftsperspektiven“, betont Ulrich Stöcker, Geschäftsführer von Rewilding Oder Delta e.V. „Wenn wir lokale Akteure und Fachleute zusammenbringen, entstehen nachhaltige Lösungen, die Klima, Natur und Gesellschaft zugutekommen.“
Die Wiederherstellung von marinen Ökosystemen und Küstenlebensräumen der Ostsee bietet viele Vorteile für Menschen und Natur. Seegraswiesen sind nicht nur ein Hotspot der biologischen Vielfalt, sondern gleichzeitig ein bedeutender Kohlenstoffspeicher, der die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre verhindert. Sie tragen damit zum Klimaschutz bei. Seegräser bremsen den Wellenschlag und können Sturmfluten abmildern, wodurch der Abtrag der Küste verringert werden kann.
Fakten und Handlungsempfehlungen
Rewilding Oder Delta e.V. hat im Rahmen des Workshops ein Faktenblatt über Seegraswiesen, ihre Wiederherstellung und deren Vorteile erstellt, das die wichtigsten Aspekte auf anschauliche Weise zusammenfasst und zum Download bereitsteht.
Die Ergebnisse des Workshops fließen in die Entwicklung konkreter Handlungsempfehlungen für die Wiederherstellung von marinen Ökosystemen und Küstenlebensräumen der Ostsee ein. Diese beziehen sich nicht nur auf Seegraswiesen, sondern auch auf Salzgrasländer, Steinriffe sowie Sandhabitate und bieten Entscheidungsträger*innen, Praktiker*innen und Interessierten eine Basis für die erfolgreiche Planung und erste Schritte zur Umsetzung von Wiederherstellungsmaßnahmen.
Hintergrund zum Projekt
Der interaktive Workshop zum Thema Seegraswiesen ist Teil eines durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Projektes „Vorteile der Wiederherstellung von marinen Ökosystemen und deren Leistungen an der deutschen Ostsee“ und der letzte von insgesamt vier Workshops zu bedeutenden Ökosystemen in und an der deutschen Ostsee (Salzgrasländer, Steinriffe, Sandhabitate und Seegraswiesen).
Rewilding Oder Delta e.V. engagiert sich seit Jahren grenzübergreifend in Deutschland und Polen für die Wiederherstellung funktionierender Ökosysteme – in Wäldern, Feuchtgebieten, Flüssen, im Meer und an der Küste. Der Verein verbindet wissenschaftlich fundierten Naturschutz mit partizipativen Ansätzen und naturnahen Wirtschaftsformen – für eine lebendige, resiliente Ostseeregion.
Text: Ulrike Frenzel, Katrin Wollny-Goerke, Laura Meinecke, Katrin Quiring
Redaktion: Ulrike Frenzel