Rewilding im Einzugsgebiet am Fluss Ina

November 1, 2023

Im Oktober haben wir einen weiteren Schritt zur Verbesserung des ökologischen Zustands des Ina-Einzugsgebiets realisiert. Rewilding Oder Delta hat eine Reihe von drei Kies- Sohlschwellen angelegt, die zu einer Diversifizierung der Flussmorphologie beitragen. Darüber hinaus haben wir während des Internationalen Tages der Landschaft zusammen mit Partnern aus der Region – dem Verein der Freunde der Flüsse Ina und Gowienica und des Magischen Eckchens– sowie Freiwilligen aus Goleniów und Sowno eine Baumpflanzaktion am Fluss Ina organisiert.

Ina Fluss Tal
Neil Aldridge / Rewilding Europe

Kies – Das fehlende Element im Ökosystem

Anfang Oktober haben wir die Arbeiten zur Wiederherstellung eines reich strukturierten Ina-Flussbettes abgeschlossen. Dabei wurde Kies zur Bildung einer Serie von drei Sohlgleiten in der Umgebung von Strumiany eingebracht. 

In einem natürlichen System fließt das Wasser dem Gefälle folgend und erodiert Material, das als Sedimentfracht bezeichnet wird; je größer das Gefälle, desto gröber das weggetragene Material. Sobald das Gefälle und die Strömungsgeschwindigkeit geringer werden, wird das mitgerissene Material auf natürliche Weise ablagert. So entsteht ein reich strukturreiches Gewässerbett aus verschiedenen Materialien mit Vertiefungen (Kolke) und flachen Ablagerungen, welches einen abwechslungsreichen Lebensraum für Insektenlarven und andere benthische Organismen bietet.

Stromturbulenz und Kolk – Abschnitt
Agnieszka Soboń / Rewilding Oder Delta

Die Umgestaltung von Flussbetten durch die Gewinnung von Sand und Kies, für die Energieerzeugung, die Schifffahrt (Güter- und Personentransport) und die damit verbundenen Baumaßnahmen haben zu einer Unterbrechung und Störung des natürlichen Sedimenttransports, zu Veränderungen des Abflussregimes und zu einer Entkopplung des Flusses und den Auen geführt. Die Lebensraumstrukturen am Gewässergrund verschwanden, ebenso wie Flussniederungen und Auen, welche als Hotspot für Biodiversität bekannt sind. Statt in Verbindung mit dem Umland zu stehen, gräbt (erodiert) sich der Fluss in seinem starren Verlauf immer tiefer in den Boden.  Neben Verlusten in der Artenvielfalt, gehen auch viele andere Leistungen der Flussökosysteme, verloren. Durch die Trennung von Flüssen mit dem Umland kann der Boden seine Funktion als Wasserfilter und -speicher nicht ausführen. Dies schwächt die Widerstandsfähigkeit der Landschaft gegenüber immer häufiger erscheinenden Wetterextremen sowie resultierenden Dürren und Überschwemmungen.  

Wir sind uns bewusst, wie wichtig es ist, die natürlichen Strukturvielfalt in Flüssen wiederherzustellen. Daher ist das Einbringen von Kies in naturnahen Strukturen ein wichtiger Beitrag zur Renaturierung.  Da Flüsse ein komplexes natürliches System in sich selbst sowie in der Verbindung mit der Landschaft darstellen, ist für eine zielgerichtete Einbringung der Strukturelemente Expertenwissen nötig.   

Einbettung einer Sohlgleite aus Kieselsteinen in das Flussbett der Ina
Neil Aldridge / Rewilding Europe

Ein strukturreiches Flussbett kennzeichnet einen gesunden Fluss

Hahnenfuβ (Ranunculus fluitans)
Artur Furdyna / Rewilding Oder Delta

Das Wechselspiel von Ablagerungsbereichen und Vertiefungen ist für die natürliche Dynamik eines Flusses von entscheidender Bedeutung. Es sorgt für eine Variabilität der Wasserstände und Strömungsverhältnisse und bietet vielfältige Lebensbedingungen für aquatische und semiaquatische Tiere und Pflanzen. Darüber hinaus stabilisieren die Querstrukturen den Abfluss bei niedrigen Wasserständen und verbessern so die Wasserverhältnisse in der Flussniederung.
Gleichzeitig wird der Energiehaushalt des Flusses ausgeglichen, indem die Kraft der Strömung beim Anströmen der Kiesbänke abgebremst wird und einen Teil ihrer Energie verliert. Bei Hochwasser würde ein ungebremster Abfluss das Flussbett erodieren und zerstören und die Niederung übermäßig entwässern.

Das Anlegen von Kiessdepots bietet Lebensraum für viele Organismen, welche sich von organischem Material ernähren und damit zur Reinigung des Gewässers beitragen. Es fördert das Vorkommen von ökologisch besonders wertvollen Bakterien, Algen und Insektenlarven. Die Kiesstrukturen sind Laichplätze, natürliche Fortpflanzungsstätten für Fische, welche für die Existenz von Arten wie Stör, Lachs und Forelle unerlässlich sind. Genauso wichtig sind sie für diverse Pflanzenarten, welche dem Flussökosystem Sauerstoff spenden und ebenso zur Gewässerreinigung beitragen wie die tierischen Organismen. Dazu gehört zum Beispiel der flutende Hahnenfuβ (Ranunculus fluitans), welcher als Zeiger für eine sehr gute Wasserqualität gilt. Innerhalb kurzer Zeit nach Einbringung von Kies konnten wir die ersten Blätter dieser besonderen Pflanzen beobachten„. – sagt Artur Furdyna, Hydrobiologe und Vorstandsmitglied von Rewilding Oder Delta.

Ökosystemleistungen – Natur für Menschen 

Wie bereits erläutert leistet die Einbringung von Kies einen signifikanten Beitrag zur biologischen Vielfalt, und liefert damit essentielle Ökosystemleistungen

Die wiederhergestellte Kiesstruktur im Flussbett der Ina – Ansicht von oben
Piotr Piotrowski / Towarzystwo Przyjaciół Rzek Iny i Gowienicy
  • Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser im Einzugsgebiet;
  • die thermische Stabilisierung des Oberflächenwassers;
  • Förderung gebietsspezifischer und landschaftswirksamer stabilerer Wasserverhältnisse (Prävention vor Dürren oder Überschwemmungen), einschließlich des Schutzes von Wald- und Landwirtschaftsgebieten vor Wasserknappheit;
  • Gewährleistung der Artenvielfalt durch ein diverseres Mosaik von Lebensräumen;
    • Wasserrückhalt und Wiederherstellung von Feuchtgebieten,  
    • Bindung von CO2 aus der Luft und Verringerung der negativen Auswirkungen des Klimawandels,  
    • Sichere Bindung von organischen Stoffen, Biogenen und damit Verringerung der Eutrophierung, die zur Überdüngung der Gewässer führt und damit unter anderem Algenblüten hervorruft. 
  • Möglichkeit, ohne Zukunftssorgen Tourismus und Freizeitaktivitäten auszuüben.

Internationaler Tag der Landschaft

Die Aktion, die wir am 20. Oktober durchgeführt haben, kommt auch dem Fluss und seinem Einzugsgebiet zugute. Die Teilnehmer*innen pflanzten über hundert junge Weidentriebe, die in der nächsten Vegetationsperiode schnell Wurzeln schlagen werden.

Die Bäume am Ufer beeinflussen den Selbstreinigungsprozess des Einzugsgebiets, indem sie Nährstoffe aufnehmen und zurückhalten. Gleichzeitig beschatten sie das Gewässer und schaffen so vegetationsarme Räume mit kühleren Wassertemperaturen. Dies schafft Nischen für Moose und Wasserflechten und erhöht die Artenvielfalt des Flusses. Die Baumwurzeln eignen sich hervorragend zur Stabilisierung der Flussufer und verringern die Erosion. Ein üppiger Bestand an Sträuchern und Bäumen erhöht die Population von Insekten und Vögeln (z. B. Eisvögeln), welche die Flusslandschaft bereichern. Die teilweise Beschattung des Flusses in Verbindung mit Kiesdepots trägt auch zur thermischen Stabilisierung des Wassers bei. Bäume sind zudem an Flüssen wie die Ina auch Elemente eines natürlichen Hochwasserschutzes. 

Internationaler Tag der Landschaft 2023

MAGDALENA URLICH / REWILDING ODER DELTA

Begegnung am Flussufer

Die gemeinsame Pflanzung von Bäumen war eine gute Gelegenheit sich mit den lokalen Bewohnern am Flussufer zu treffen. Der Internationale Tag der Landschaft war eine Bildungs- und Integrationsveranstaltung. „Wir freuen uns, dass die Gruppe unserer Partner mit jeder weiteren Rewilding-Aktion wächst„. – sagt Magdalena Urlich, Referentin für Tourismus und Enterprise von Rewilding Oder Delta und Organisatorin der Veranstaltung.  

Das Anlegen von Kiesdepots und die Baumpflanzaktion am Fluss Ina fanden im Rahmen der Umsetzung der Projekte „Wildlife comeback to the Ina river“ (von EOCA finanziert) und „Rewilding the Ina river for a cleaner Baltic Sea“ (durch die BALTCF finanziert) statt. 


Text: Artur Furdyna, Magdalena Urlich
Übersetzung aus dem Polnischen und Redaktion: Ilona Wenderlich, Peter Torkler, Nancy Wolf, Pablo Melotta

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