Auf Einladung von Rewilding Oder Delta haben sich am 09. und 10. Juli rund 30 Vertreter*innen verschiedener Interessensgruppen wie dem Bauernverband Ostvorpommern und Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Landesbehörden aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie Bundesbehörden zu einem Fachworkshop zum Thema „Wiederherstellung und Vorteile von Salzgrasländern“ getroffen.
Eine Exkursion zum Start des Dialogs
Der Workshop startete mit einer Exkursion nach Drammendorf auf Rügen, wo der WWF und die Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee vor rund 5 Jahren die Deichlinie zurückverlegt und den ehemaligen Polder dem natürlichen Einfluss der Ostsee geöffnet haben. Ergänzt durch wissenschaftliche Vorträge, diskutierten die Teilnehmenden in konstruktiver Atmosphäre Fragen zu Chancen, Hindernissen und Lösungsansätzen für die Renaturierung von Salzgrasland an der deutschen Ostseeküste.
Ulrich Stöcker, ROD Geschäftsführer und Team Leader Deutschland, betonte die Bedeutung, Interessensgruppen einzubinden: „Alles beginnt mit einem Dialog. Für ein gemeinsames Verständnis und Respekt ist es entscheidend, Naturschützer*innen und lokale Gemeinschaften mit einander zu in Kontakt zu bringen. Das ist das Fundament jeder erfolgreichen Rewilding Initiative.“
Salzgrasländer: komplex und gefährdet
Während des Workshops informierte Katrin Quiring, ROD-Referentin für Meeres- und Küstenschutz, über die Komplexität und Bedeutung der gefährdeten Salzgrasländer. Diese Ökosysteme kommen an strömungsarmen, flachen Küsten, v.a. der Ostsee vor, wo sie vorwiegend durch Beweidung auf Küstenüberflutungsmooren entstanden sind. In diesen Gebieten leben Pflanzen- und Tierarten, die Überschwemmungen von Brack- und Salzwasser bei windabhängigen Hochwassern ertragen und somit in salzhaltigen Umgebungen überleben können. Durch Beweidung werden Schilf- und Röhrichtpflanzen verbissen, was die Entstehung artenreicher und eng verzahnter Lebensgemeinschaften ermöglicht.
Alle Fakten zu Salzgrasländern:
Salzgrasland-Faktenblatt-08-2024.pdf
Inzwischen sind diese Ökosysteme durch Landgewinnung und Bodenkulturmaßnahmen an der deutschen Ostseeküste selten geworden und besitzen eine besondere Schutzwürdigkeit.
Mit Hilfe von Workshops, wie der im Juli organisierte, fördert ROD die Akzeptanz von Schutz und Wiederherstellung dieser einzigartigen Ökosysteme.
Die Vorteile von Salzgrasländern und ähnlicher Küsten-Lebensräume
Der interaktive Workshop bot eine gute Gelegenheit, Aufmerksamkeit zu wecken für die Vorteile, die die verschiedenen Ostsee-Lebensräume der Salzgrasländer, Riffe, Sandhabitate und Seegraswiesen für Natur und für Menschen bieten.
Salzgrasländer sind nicht nur von ökologischer Bedeutung, sondern sind ein wichtiges Element des Küstenschutzes und wirken darüber hinaus als Kohlenstoffsenke. Sie bieten eine Vielzahl von Vorteilen für Natur und Mensch – die sogenannten Ökosystemleistungen – wie beispielsweise Küsten- und Klimaschutz, die Förderung der Biodiversität, Erholung und Umweltbildung zum Beispiel für nachhaltigen Tourismus, sowie die Bereitstellung von Gütern für die direkte menschliche Nutzung.
Steinriffe
Steinriffe stellen ein weiteres bedeutendes Ökosystem der Ostsee dar. Hier meist mit Miesmuscheln und vielen anderen festsitzenden Tieren und Pflanzen bewachsen, bieten sie Versteck, Nahrung und Laichmöglichkeit für etliche Fischarten – auch für kommerziell bedeutende Arten wie zum Beispiel den stark gefährdeten Ostsee-Dorsch oder verschiedene Plattfischarten. Die Wiederherstellung von Riffen kommt damit auch der (Angel-)Fischerei zugute.
Seegraswiesen
Ein weiteres Mosaikteilchen der marinen Lebensräume sind Seegraswiesen. Die ständig überspülten Seegraswiesen der Ostsee speichern in ihren Wurzeln und im Boden erhebliche Mengen an Kohlenstoff und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
Sandhabitate – wichtig für Natur und Tourismus
Ein sehr lebensnahes Thema für alle Workshopteilnehmenden waren die Sandlebensräume.Mit Stränden, Dünen und Strandinseln bieten diese einer hohen Anzahl spezialisierter Pflanzen Lebensraum und sind von großer Bedeutung für den Küstenschutz. Eine der wichtigsten Einnahmequellen an der deutschen Küste ist der Tourismus, der weitgehend auf die Attraktivität natürlicher Strände angewiesen ist. ROD hat Fördergelder gewinnen können, um eine Rewilding Initiative auf der Insel Ruden durchzuführen, die Sandlebensräumen und Brutvögeln des Strandes zugutekommt.
Ausblick
Das EU-Naturschutzgesetz setzt verbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Meeres- und Küstenökosysteme auf mindestens 20 % der Land- und Meeresfläche der EU. Zur Umsetzung muss Deutschland, wie jeder EU-Mitgliedstaat, bis Mitte 2026 einen Nationalen Wiederherstellungsplan vorlegen. Darin werden in den kommenden Jahren Maßnahmen zur Wiederherstellung von Meeres- und Küstenökosystemen festgelegt. Mit seinem freiwilligen Ansatz und der Einbindung lokaler Gemeinschaften bietet Rewilding ein großes Potenzial, diesen Prozess zu unterstützen.
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Die Workshops zu den Salzgrasländern und anderen Ostsee-Lebensräumen ist Teil eines durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz geförderten Projektes „Vorteile der Wiederherstellung von marinen Ökosystemen und deren Leistungen an der deutschen Ostsee“.
Text: Katrin Wollny-Goerke, Katrin Quiring
Redaktion: Agnieszka Soboń
Inhaltliche Beratung: Katrin Wollny-Goerke, Katrin Quiring, Ulrich Stöcker