Faszinierende Ergebnisse im partnerschaftlichen Artenmonitoringprojekt

März 3, 2023

Natur und Wildtiere sind Gegenstand vieler Interessen, von der staatlichen Naturschutz-und Forstverwaltung über Landeigentümer und Landnutzer wie Landwirte und Jäger bis hin zu Naturschutzorganisationen und der lokalen Bevölkerung, die ihre Heimatliebt und bewahrenmöchte. Um einen Konsens zwischen den verschiedenen Belangenzu finden und Landschaften und Wildtiere gemeinsam zu schützen, ist eineKooperationzwischen allen Akteuren von entscheidender Bedeutung.

Eine neue Großstudie 

Seit 2012 arbeiten Naturschützer, die nun im Rewilding Oder Delta e.V. (ROD), einer regionalen Naturschutzorganisation im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns und im Nordwesten Polens, organisiert sind, mit Wissenschaftlern, Behörden und Landnutzern zusammen, um die nachhaltige Regionalentwicklung im Oderdelta zu unterstützen, die naturnahen Landschaften zu revitalisieren und eine gemeinsame Vision für das grenzübergreifende Gebiet rund um das Stettiner Haff zu entwickeln.

DE: Wiebke Brenner (ROD) und Sandeep Sharma (iDiv) beim Anbringen der Fotofallen EN: Wiebke Brenner (ROD) and Sandeep Sharma (iDiv) preparing the devices PL: Wiebke Brenner (ROD) i Sandeep Sharma (iDiv) montuj fotopuapki
Wiebke Brenner (ROD) und Sandeep Sharma (iDiv) beim Anbringen der Fotofallen
Brais Palmás

Diese erfolgreiche Zusammenarbeit gewann 2020 an Dynamik, als das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) begann, das transdisziplinäre Projekt REWILD_DE zu fördern – eines von bundesweit 19 ausgewählten innovativen Vorhaben zum Thema „Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft” (BiodiWert) im Rahmen der BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA). Das 3-jährige Großprojekt wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) sowie dem ROD als Praxispartner umgesetzt.

Ziel ist es, das ökologische, wirtschaftliche und soziokulturelle Potenzial von Rewilding im Oderdelta zu erforschen. Dank der Förderung konnte u.a. ein umfassendes Wildtiermonitoring mit sog. Fotofallen in der Region initiiert werden. “Diese einfachen, nicht-intrusiven Geräte werden an ausgewählten Standorten aufgestellt und automatisch durch Bewegung und Körperwärme der Tiere in ihrer Nähe ausgelöst.”, erklärt Sandeep Sharma, Forscher am iDiv. “Sie erfassen die Anwesenheit und Aktivität von Tierarten rund um die Uhr und geben uns so einen guten Überblick über die Artenvielfalt und -zusammensetzung in dem Gebiet.” Im Herbst 2022 stellten die Naturschützer des ROD und die Wissenschaftler des iDiv mit Einwilligung und Unterstützung der örtlichen Behörden, Landbesitzer und –nutzer 60 solcher Kamerafallen in der Region auf.  

Erste Ergebnisse und Überraschungen 

 

Steinmarder (Martes foina) am Wildkatzen-Lockstock. © Rewilding Oder Delta

Den aufgezeichneten Reichtum an Wildtieren an vielen Standorten hatten die Ökologen zwar durchaus erwartet: Die Artenvielfalt, die von Pflanzenfressern wie Hase, Reh, Rot- und Damwild über kleine, mittlere und große Beutegreifer wie Fischotter, Baummarder, Fuchs und Wolf bis hin zu Vogelarten wie dem Kranich reicht, beweist den hohen ökologischen Wert der Region. Die Kameras zeichneten auch das Vorhandensein und die Verbreitung von invasiven Arten wie Waschbär und Marderhund auf. Darüber hinaus erlebten die Forscher nur wenige Monate nach Beginn des Projekts aber eine große Überraschung.

Rothirschbulle (Cervus elaphus) während der Brunft. © Rewilding Oder Delta

 

“Eine unserer Kamerafallen zeichnete eine Eule auf, die viele Fachornithologen für einen Habichtskauz halten.”, sagt Ulrich Stöcker, Geschäftsführer von Rewilding Oder Delta. “Diese Vogelart wurde in Deutschland in den letzten Jahren nur vereinzelt in Sachsen beobachtet und in Bayern dank eines Wiederansiedlungsprojekts nachgewiesen, so dass der Fund deutschlandweit eine extreme Besonderheit wäre.” Der seltene Vogel benötigt eine Mischung aus reifen Wäldern (>60 Jahre) mit Baumhöhlen zum Nisten und offenen Flächen zum Jagen, die in Deutschland zunehmend knapp werden. “Da es in Deutschland nur noch sehr wenige ungestörte alte Wälder gibt, untermauern unsere Beobachtungen weitere Anstrengungen zur Wiederherstellung dieser wichtigen Ökosysteme, in denen seltene und, wie wir sehen, sogar regional ausgestorbene Wildtierarten wieder gedeihen können.”, ergänzt Stöcker. 

Könnte es sich um eine regional ausgestorbene Art handeln? 

 

DE: Ist das ein seltener Habichtskauz (Strix uralensis)? EN: Is this a rare Ural owl (Strix uralensis)? PL Czy to jest rzadki puszczyk uralski (Strix uralensis)?
Ist das ein seltener Habichtskauz (Strix uralensis)? © iDiv
iDiv

Aufgrund der Seltenheit der Vogelart in Deutschland nahm das Forschungsteam zunächst Kontakt zu Zoos und Vogelgehegen auf, um zu prüfen, ob es Ausreißer aus der Gefangenschaft gibt: Fehlanzeige. „Derzeit gilt unsere Beobachtung noch nicht als gesichert und um eine zusätzliche Datengrundlage für einen möglichen Nachweis zu schaffen, planen wir, akustische Monitoringgeräte im Umfeld des Beobachtungsortes anzubringen.”, sagt Wiebke Brenner, Wildbiologin beim ROD. “Ein Vorkommen dieser extrem seltenen Vogelart im Oderdelta wäre in der Tat spektakulär, aber für uns zeigt dies nur, wie wichtig es ist, zusammenzuarbeiten und Wildtiere systematisch zu erfassen. Ich bin sicher, dass wir in den nächsten Jahren noch viele überraschende Entdeckungen in unserem Projekt machen werden.” 

Vorteile der Zusammenarbeit

Wiebke Brenner (ROD) und Sandeep Sharma (iDiv) beim Überprüfen der Fotofallen im Winter. © Agnieszka Soboń / Rewilding Oder Delta

Eine der Herausforderungen im Wildtier-Monitoring des Projektes war es, die Unterstützung der örtlichen Privatwaldbesitzer und Jäger zu erhalten, auf deren Gebieten die Fotofallen aufgestellt werden sollten. Das Team traf aber auch auf viele Befürworter des Projekts. “Oft reagieren Waldbesitzer und Jäger mit Vorsicht, wenn Andere Kamerafallen in ihren Wäldern und Revieren anbringen möchten.”, sagt Dr. Heinrich Löhr, ein Waldbesitzer und Jäger, in dessen Wald eine der Projekt-Kamerafallen aufgestellt wurde. “Aber ein systematisches Wildtiermonitoring ist sehr wichtig, und Projekte wie dieses ermöglichen es den einzelnen Waldbesitzern und -nutzern, nicht nur wertvolle Informationen über ihre eigenen Flächen zu erhalten, sondern auch ein besseres Verständnis der Wildtierökologie aus regionaler Sicht und über zufällige Beobachtungen hinaus zu erlangen.”

 

Weiterführende Informationen

 

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